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Was Tiere uns lehren können
von Brigitte von Rechenberg

Referat zum Thema "Tiergestützte Therapie"
anläßlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins "Tiere helfen Menschen, e.V." in Würzburg, 1997

 

Wenn heutzutage von Mensch-Tier Beziehung gesprochen wird, denkt jeder in den meisten Fällen automatisch entweder an den therapeutischen Nutzen der Tiere für den Menschen oder an das durch die Anwesenheit der Tiere ausgelöste Wohlbefinden des Menschen. In jedem Falle wird ein klares Wertgefälle zwischen Mensch und Tier hergestellt, selbstredend zu Gunsten des Menschen. Entweder kommt dieses Gefälle durch den Gebrauch des Tieres als therapeutische "Krücke", und damit als dem Menschen "zudienend" oder aber als "schwanzwedelnde" oder "schnurrende" Psychotherapie für den psychisch bedürftigen Menschen zustande. Gerade aber in der letzten Funktion zeigt sich bereits die Fragwürdigkeit dieses Wertgefälles. Es stellt sich berechtigterweise die Frage, ob das Tier oder der Mensch in dieser Beziehung der Bedürftigte oder Empfangende ist. Ist es tatsächlich so, daß wir Menschen Tiere nur um unserer selbst willen, d.h. nur zur Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse halten? Ist es nicht viel mehr wünschenswert, Tiere um ihrer selbst willen bei uns aufzunehmen? Die Motivation, Tieren eine große Rolle im eigenen Leben einzuräumen, ehrlich zu untersuchen brachte für mich eine recht interessante Entdeckung ans Licht. Im Laufe der Jahre hat sich die Bedeutung meiner Tiergefährten sehr verändert. Ursprünglich viel eher meinem eigenen Wohlbefinden dienend, bekamen sie immer mehr Bedeutung als eigene Wesen, mit eigenen Bedürfnissen und Persönlichkeiten, und als Lebewesen, die mir echte Lebensweisheiten zeigten. Unmerklich, doch sehr effektvoll, haben sich meine Pferde, Hunde und Katzen als meine besten Lehrer etabliert, um das Leben viel gelassener zu meistern, und sie haben sich mir dabei in mancher Hinsicht überlegen gezeigt.

Tiere werden als Begleiter in der Familie, aber auch als Kameraden im Sport (Jagd, Hundesport, Pferdesport, etc.) verwendet, manchmal als getriebene, zur Leistung gezwungene, den Ehrgeiz des Besitzers befriedigende Partner. Doch auf die Dauer wird diese Art der Ausbeutung den Erfolg nicht gewährleisten. Nur die wirkliche Partnerschaft mit dem Tier, d.h. die gleichzeitige Berücksichtigung der Wünsche des vierbeinigen Partners, wird dauerhaft von Erfolg gekrönt sein. Das gilt auch für die nicht leistungsorientierte Beziehung mit Tieren. Auch ein Freizeitreiter ist auf die Kooperation seines Pferdes angewiesen, um sich dauerhaft an seinem Sport zu erfreuen. Erst diese Einstellung mit der Berücksichtigung der Eigenart, Wünsche und Fähigkeiten der Vierbeiner ermöglicht es den Menschen, wirklich hinzuhören und etwas von ihnen für sein eigenes Leben zu lernen - und sie haben uns viel mitzuteilen, wenn sie richtig gefragt werden.

Was können sie uns lehren? Durch ihre Möglichkeit, unsere innersten Persönlichkeitsschichten ohne Filter (z.B. Abwehr durch Angst vor Verletzbarkeit) zu erreichen, können sie uns lehren, uns zu öffnen gegenüber uns selbst aber auch gegenüber anderen. Sie lehren uns, Vertrauen in ein anderes Wesen zu haben, dessen Sprache wir nur bruchstückhaft verstehen. Gerade beim Pferd bedeutet dies durch die unterschiedlichen Grössenverhältnisse zwischen Mensch und Tier, daß man seine eigene Sicherheit in die Hände dieses vierbeinigen Partners legt - eine ganz besondere Erfahrung, wenn dieses Vertrauen hergestellt ist. Es ist die Erfahrung eines Grundvertrauens, welche sich auf das gesamte Leben positiv auswirkt. Man lernt dabei, sich etwas größerem, relativ unbekannten auszuliefern und begreift, daß man dabei ganz gut aufgehoben ist. In mancher Situation lernt man, die eigene Kontrolle innerhalb einer Situation aufzugeben und einfach die Zügel loszulassen. Dabei stellt man fest, daß es auf diese Weise oft auch besser herauskommt, als wenn alles unter die eigene Kontrolle untergeordnet ist. Diese Erfahrung kann eine heitere Zuversicht ins Leben allgemein vermitteln.

Tiere wirklich zu verstehen, sie als eigene Lebewesen zu sehen, bedeutet aus der eigenen, egozentrischen Welt hinauszutreten und in eine neue, nur mit viel Beobachtung und Einfühlung zu verstehende Welt der Vierbeiner einzutreten. Es erübrigt sich beinahe, darauf hinzuweisen, daß sich diese Einstellung auch im Umgang mit anderen Mitmenschen bewährt.

Im Umgang mit Tieren lernt man, daß bei Anwendung von Zwang nur einer der Verlierer ist, nämlich derjenige, der ihn anwendet. Das englische Sprichwort "Einem Warmblüter sagt man, was er zu tun hat, einen Vollblüter und einen Araber fragt man, ob er es tun möchte!", lehrt den Besitzer anständig um die Leistung des Pferdes zu fragen und später auch "Danke" dafür zu sagen. Auch ein Warmblüter wird gern anständig behandelt, doch sein robusteres Temperament läßt ihn - oft zu seinem eigenen Nachteil - etwas eher den Zwang ertragen.

Tiere lehren Disziplin. Sie haben "interne Uhren" eingebaut, die sie - fast möchte man sagen - rücksichtslos auf die Besitzer projizieren. Sie wissen, wann Fütterungszeiten, Spaziergänge oder ähnliches angesagt sind. Um ihren eigenen Frieden zu bewahren, passen sich die Besitzer "freiwillig" an, sie unterjochen sich ohne zu klagen dem ständigen Miauen, Winseln oder einfach den fragenden Augen der Vierbeiner - und lernen unmerklich eigene Disziplin und Zuverlässigkeit. Gleichzeitig lernen sie aber auch, konsequent zu sein und sich nicht dauernd von ihren Vierbeinern terrorisieren zu lassen. Durch ihre direkte Art ihre Gefühle auszudrücken, lehren Tiere auch ihre Besitzer sich selbst besser kennenzulernen und sich im Umgang mit den Tieren zu beherrschen. Jeder guter Reiter hat schließlich gelernt, abzusteigen und es am nächsten Tag wieder von neuem zu probieren, bevor er seine Wut an seinem Pferd ausläßt.

Tiere sind ausgezeichnete Spiegel der eigenen Befindlichkeit. Sie zeigen deutlich, wenn die eigene Nervosität oder die schlechte Laune der Besitzer den Grund für ihren Ungehorsam und Widerstand darstellt. Man lernt als Besitzer, sich vor ihren fragenden Augen zu schämen und sich selbst besser zu kontrollieren. Das Verhalten der Tiere ist meistens der direkte Ausdruck der eigenen Unzufriedenheit der Besitzer. Man lernt ihnen zu glauben und ihre Unzufriedenheit ernst zu nehmen.

Tiere lehren einen Geduld, es noch einmal zu probieren. Wenn es beim Reiten beim ersten Mal nicht klappt, dann wird einfach nochmals eine Volte geritten oder das ganze wird am nächsten Tag noch einmal geübt. Sie lehren einen zu warten, aber auch geschehen zu lassen und damit eine gelassenere Lebenshaltung einzunehmen.

Das Leben mit Tieren lehrt den Besitzer Risiken einzugehen, sei es im Umgang mit Pferden, Hunden oder anderen Tieren. Kämpfende Hunde, durchbrennende Pferde, kratzende Katzen u.ä. bringen den Menschen in Kontakt mit der ursprünglichen Wildnis, etwas, was wir in der zivilisierten Welt kaum mehr kennen. Das Bewußtsein, solche Situationen meistern zu können, fördert den eigenen Lebensmut und gibt Gewißheit, auch mit ungewöhnlichen Lebenssituationen umgehen zu können. Der Mensch lernt in solchen Situationen, seine eigene Angst zu überwinden, sie überhaupt erst einzugestehen und dennoch zu meistern. Er lernt zu kämpfen, durchzuhalten und erringt sich damit auch ein Stück Befreiung von eigenen Restriktionen.

Tiere geben ihren Besitzern jeden Tag eine neue Chance. Wohl selten erfährt der Mensch diese Bereitschaft, ihn jeden Tag von neuem zu akzeptieren, nichts nachzutragen, und seine Fehler wieder gut zu machen. Selten hat man die Chance jeden Tag einen Neuanfang zu machen.

Tiere erkennen blitzschnell jeden Bluff, und sie lassen sich vom Schein nicht beeindrucken. Sie durchschauen jedes Rollenspiel, sind selbst transparent und verlangen Transparenz, sie erkennen und lassen den Menschen sich selbst erkennen. Sie fordern schlichte Ehrlichkeit im Umgang mit ihnen und auch für den Menschen mit sich selbst. Sie haben alleine dadurch eine heilende Wirkung auf die Besitzer.

Von Tieren kann man den Umgang mit und die Akzeptanz von Krankheit lernen. Tiere können um das Leben kämpfen, aber sie wissen auch um einen bevorstehenden Tod und können ihn akzeptieren. Es ist, als ob sie sich in sich selbst zurückziehen und ergeben das Kommende abwarten. Der Mensch kann von ihnen das "Loslassen-können" und das Sterben lernen.

Die intensive Art und Weise der Tiere das "Jetzt und Hier" zu leben, und nicht über das "Gestern" und das "Morgen" nachzudenken, ihre ungeschminkte Art, ihre Emotionen, wie Wut, Eifersucht aber auch Freude und Liebe im Moment auszudrücken, veranschaulicht in einer eindrucksvollen Art das Lateinische Sprichwort "Carpe diem" (Erfasse den Tag!). Ihre Selbstverständlichkeit, das Leben zu 100% zu leben, könnte manchem Besitzer seine Lebensfreude wieder schenken.

Von Tieren lernen wir Humor, jenseits von jeder Schadenfreude mit ihrem typisch unangenehmen Nebengeschmack. Tiere sind nicht schadenfroh, sie lästern nicht, sie lehren uns das echte Lachen. Ihre auf eine gewisse Weise "respektlose" Art, mit uns Besitzern umzugehen, uns in die unmöglichsten Lebenssituationen zu bringen und damit unsere eigene Wichtigkeit in Frage zu stellen, lehrt uns herzlich und befreiend über uns selbst zu lachen. Auf eine liebenswerte Art lassen sie uns recht oft als "Clown" auftreten und unsere eigene Persönlichkeit nicht mehr ganz so ernst zu nehmen - in jeder Beziehung eine Befreiung von manchen Konventionen!

Durch unsere Tiere lernen wir, die Welt anders zu sehen. Sie öffnen uns die Augen über die Natur, sie helfen uns, diese Bilder zu verinnerlichen und davon in weniger guten Zeiten zu zehren und uns daran aufzurichten. Durch den äußerlichen Zwang, mit ihnen täglich in die Natur hinauszugehen, erleben wir mit ihnen den Wechsel der Jahreszeiten, sehen die Natur bei jedem Wetter und der dazu gehörenden Schönheit. Man lernt von ihnen, daß auch Regen- und Nebeltage ihre Schönheit besitzen, und daß der Sonnenschein vor allem im Unterschied zu den schlechteren Tagen etwas Besonderes, Schönes ist.

Mein Dank geht an meine Vierbeiner, die mich bis hierher begleitet haben: An meine Pferde, Shammar, Chyata, Sikhara, Ponickel, Nahla; meine Hunde, Argo, Aldo, Senta, Monster, Clover und Golda; meine Katzen, Schellenursli, Seraina, Fegerli und Grizzly. Ihre Anwesenheit machte die Reise wertvoll und um vieles einfacher.

 

 


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